Das Thema „kostenloser“ Nahverkehr bewegt: Über 70 Interessierte folgten der Einladung der SPD-Kreistagsfraktion und der Jusos Rhein-Sieg zur Podiumsdiskussion ins rappelvolle „Elkes Café“ in Sankt Augustin, die beleuchten sollte, wie es mit dem von der Bundesregierung initiierten Modellprojekt weitergehen kann. Zu Beginn machte Mario Dahm, Kreisvorsitzender der Jusos Rhein-Sieg, deutlich, wie wichtig ein Ausbau des Nahverkehrs ist, um Mobilität umweltfreundlich zu gestalten, Stau zu vermeiden und soziale Teilhabe zu sichern. Die Jusos schlagen dafür ein „Ticket für alle“ für einen Euro am Tag vor, das für junge Menschen unter 25 komplett kostenfrei sein soll.
Der Geschäftsführer des Verkehrsverbund Rhein-Sieg, Michael Vogel, berichtete, dass das System aufgrund steigender Nutzerzahlen schon heute vielerorts an den Kapazitätsgrenzen angekommen sei und eine Abschaffung oder Senkung der Fahrgastentgelte nur mit einem Ausbau der Infrastruktur und einem Zuschuss von anderer Stelle funktionieren könne. Diese Ansicht teilte auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Hartmann, der festhielt, dass man die Infrastruktur Jahrzehnte lange vernachlässigt habe. Feststehe, so Hartmann, dass es in der Verkehrspolitik der Region so nicht weitergehen könne und dass der politische Wille aufgebracht werden müsse, die Chance mit Bonn als Modellstadt nun für die gesamte Region zu nutzen. Hartmann hatte an das Verkehrsministerium geschrieben und eingefordert, dass ein Modellprojekt nur unter Einbeziehung der Pendlerströme aus dem Rhein-Sieg-Kreis betrachtet werden dürfe.
Die spezifischen Schwierigkeiten ländlicher Kommunen beschrieb Nicole Sander. Die Bürgermeisterin von Neunkirchen-Seelscheid sah ein strukturelles Problem mit einem mangelnden Nahverkehrsangebot im ländlichen Raum. „Wir leben zwar auf dem Berg, aber nicht hinterm Mond“, so Sander, die auch auf die finanziell begrenzten Handlungsspielräume der Kommunen hinwies. Dass sich der VRS auf den Weg gemacht hat, erklärte der Fraktionsvorsitzende der SPD-Kreistagsfraktion, Dietmar Tendler. Mit welchen Maßnahmen der Umstieg vom Auto auf den Nahverkehr und eine Fahrgaststeigerung von 30 Prozent erreicht werden können, soll nun geprüft werden. Das sei der erste Schritt. Auch die Besucher brachten sich mit Ideen und Vorschlägen ein, wie etwa der Forderung nach einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung, die die Kosten eines günstigeren oder ticketlosen Nahverkehrs einmal den durch ständige Staus und Schadstoffbelastung entstehenden Kosten gegenüberstelle. Die Diskussion um einen zukunftsfähigen Nahverkehr geht jedenfalls weiter.